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Die Marginalspalte verknüpft das Gespräch mit Dokumenten und vertiefenden Informationen aus dem Archiv.
Diskurs Architektur

Beginnen wir mit der Wahrnehmung des Gebäudes: Wie wird einem dieser Ort und das Geburtshaus von Adolf Hitler bewusst? Wie haben Sie von diesem Ort erfahren?

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Ich komme ursprünglich aus Deutschland, und die Deutschen haben einen ganz anderen Bezug zu der Thematik Hitler und dem Zweiten Weltkrieg. Auch in der Aufarbeitung unterscheidet sich das deutlich. Braunau selbst ist einem bewusst, aber es gab eine Art Haltung „nach Braunau fährt man nicht“. Erst zum Zeitpunkt des Wettbewerbs war ich das erste Mal dort und habe festgestellt, dass die Stadt eigentlich ganz schön ist. Ich hatte mir auch selbst die Frage gestellt, warum ich zuvor noch nie nach Braunau gefahren bin und musste mir eingestehen, das hat mit dieser Vergangenheit zu tun – man fährt da nicht hin.

Franz Knauer

Manche fahren bewusst hin.

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Wenn man Braunau googelt, kommt als Erstes „Geburtshaus Hitler“. Dabei gibt es in Braunau unter anderem den zweithöchsten Kirchturm Österreichs. Das wissen wenige – aber Hitlers Geburtshaus, das finde ich sofort auf der Karte. Das ist schon ein interessantes Phänomen. Braunau ist einfach sehr stark von diesem Hitler-Phänomen besetzt, viele andere interessante Informationen zur Stadt werden dadurch überlagert. Gibt man zum Beispiel die Frage „Wo ist Hitler geboren?“ in Google ein, lande ich sofort in Braunau. Das ist ein Problem für die Stadt, denke ich. Ich weiß nicht, wie du [Franz Knauer] das als Österreicher siehst?

Franz Knauer

Als gebürtiger Wiener – da ist man vielleicht politisch geprägt – hat man eine gewisse skeptische Distanz zu Braunau. Das war kein Ort, zu dem ich mich hingezogen gefühlt hätte – obwohl es wirklich eine sehr schöne Stadt ist. Aber Braunau war schon sehr stark negativ konnotiert: Braunau, die Geburtsstadt des Führers. Und wie Gabriele [Hochholdinger-Knauer] sagt, Googlemaps findet sofort das Geburtshaus. „Mahnmal“ steht da jetzt, denke ich, das wurde geändert.

DA

Es ist spannend, dass Braunau als Ort diese Konnotation nicht loswerden kann. Was bedeutet dieser Ort für Sie und wie soll seine Bedeutung – in Anbetracht seiner Vergangenheit – in der Zukunft gestaltet werden? Haben Sie sich während der Arbeit an der Wettbewerbseinreichung Gedanken dazu gemacht, wie man mit dieser Last umgehen könnte?

Franz Knauer

Aus meiner Sicht sind die großen Fehler in der Vergangenheit passiert. Durch das Nicht-Aufarbeiten und durch die Duldung einer rechtsgerichteten Subkultur. Jeder hat gewusst – auch ich als Jugendlicher –, dass sich zum Geburtstag Hitlers Leute vor dem Haus in Braunau treffen. Das war nicht nur in politisch rechts gesinnten Kreisen bekannt. Dagegen hat die Politik nichts unternommen. Eine Aufarbeitung im Nachhinein ist natürlich doppelt schwer.

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Ich bin in der Nähe von München aufgewachsen, bin dort in die Schule gegangen und habe dort auch studiert. Am Prinzregentenplatz links neben dem Prinzregententheater ist das ehemalige Haus von Adolf Hitler. In der Wohnung von Hitler ist nach Kriegsende auch dieses berühmte Badewannen-Foto von Lee Miller entstanden. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist das Haus im Besitz des Freistaates Bayern. Im Hochparterre ist seither eine Polizeistation einquartiert, der Bereich vor dem Haus ist überwacht und dadurch als Versammlungs- oder Gedenkort eher ungeeignet. Das ist schon ein Unterschied zu Braunau. Vielleicht hat es auch mit der Opferrolle von Österreich zu tun, die ja lange Zeit sehr im Vordergrund stand. Je länger heikle Themen geduldet und nicht intensiv besprochen werden, desto schwieriger ist es, diese dann wieder in Griff zu bekommen. Ich habe das Gefühl, dass dieser Ort in München inzwischen wenig bis gar keine verklärerische Beachtung findet.

Beim Wettbewerb ging es verstärkt um die Erdgeschossnutzung und wie man dieses Gebäude bespielen könnte, sodass diese Aufmärsche, Fotos oder Geburtstagsfeste – die ja noch immer stattfinden – verunmöglicht werden. Der Auslobungstext schrieb eine Polizeistation vor.

DA

Der direkte Verweis auf die Wohnung in München ist auch im Vorbereitungsprozess der Wettbewerbsauslobung mehrfach gefallen, als eine Art besseres Beispiel. Sie nehmen als Büro an vielen Wettbewerben teil – was war Ihre Motivation für die Teilnahme an diesem?

Franz Knauer

Wir nehmen an Wettbewerben teil, an denen wir teilnehmen dürfen. Wir sind kein großes Büro und können uns nicht aussuchen, zu welchen Wettbewerben wir geladen werden. Es ist ganz simpel, es war ein zweistufiger Wettbewerb, mit einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren. Ich glaube, der Wettbewerbsauslober wollte durch die Bewerbung im Vorfeld sehen, wer an dieser besonderen Aufgabenstellung teilnimmt. Was wir auch verstehen, und was auch vernünftig ist bei so einem heiklen Thema.

Es gab keinen theoretischen Überbau von unserer Seite, aber wir haben eine gewisse Stärke in der Kombination von Alt- und Neubau, das machen wir sehr oft und können das auch ganz gut. Natürlich ist das ein spezielles Thema, das nur einmal vorkommt im Leben und es gibt einen gewissen Reiz, aber dass wir das aus politischen, ideologischen oder philosophischen Gründen gemacht hätten, das kann man nicht sagen.

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Es gibt in den Architekturbüros pragmatische Überlegungen: Bei einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren schaut man, mit welchen bisherigen Projekten kann man sich bewerben, habe ich Chancen auf eine Teilnahme? Das Zeitfenster hat für uns gepasst, die Verbindung von Alt und Neu interessiert uns – mehr war da nicht dahinter.

DA

Haben Sie den Realisierungswettbewerb als das richtige Format empfunden? In Anbetracht der Aufgabe wäre ja eventuell ein vorgeschalteter Ideenwettbewerb auch ein interessantes Format gewesen. Hätten Sie an einem solchen Ideenwettbewerb auch teilgenommen?

Franz Knauer

Nein, eindeutig nein. Das hätten wir vielleicht nach unserem Studium gemacht. Wir sind Architekten, sprich: wir wollen bauen. Es gibt verschiedene Fachleute – zu denen zählen wir nicht –, die sich im Vorfeld überlegen, was ist das geeignete Medium, das geeignete Format? Ich denke, es war richtig, wie die Auslober an die Sache herangegangen sind – auch mit der vorgeschalteten Historikerkommission, die sozusagen den theoretischen Überbau zur Verfügung gestellt hat. Die formale Struktur an sich hat aus unserer Sicht gepasst, sonst hätten wir uns auch nicht beworben.

DA

Die Historikerkommission, die auch die zentrale Rolle bei der Empfehlung der zukünftigen Nutzung des Gebäudes hatte, hat konkret zwei Nutzungen vorgeschlagen: Erstens die sozial-karitative, um die Symbolkraft des Ortes zu brechen, und zweitens die behördlich-administrative, für die man sich am Ende entschieden hat. War die Nutzung durch die Polizei in Ihren Augen eine gute Entscheidung?

Gabriele Hochholdinger-KnauerPolizeistation
Die empfohlene Nutzung erschien uns richtig, wir haben das nicht weiter hinterfragt. Das Beispiel von München, mit der Polizeistation in der ehemaligen Wohnung von Hitler, zeigt, dass durch die anwesende Exekutivkraft gefährliche Ideologien, die sich dort in Form von Menschenansammlungen äußern könnten, im Zaum gehalten bzw. verhindert werden.
Gabu Heindl
Der Umbau ist ein sehr deutlicher Versuch, das Problem loszuwerden, indem das Gewaltmonopol, das der Staat hat, beinahe noch einmal verbildlicht wird, indem die Polizei dort einziehen soll. Mit dem perfiden Argument, dass damit dann die Hüter des Gesetzes selbst vor Ort wären.
Im selben Moment müsste es aber eine intensive Auseinandersetzung des Bundes damit geben, in welcher – zum Teil – Nähe zu rechter Politik und rechten Ideologien die Polizei selbst steht. Ohne eine intensive Auseinandersetzung damit, wofür die Polizei leider auch steht, etwa für praktizierten Alltagsrassismus, kann das nicht gehen. An dem Ort zeigt sich noch viel deutlicher, wie unreflektiert, wie unkritisch mit diesem Gewaltmonopol umgegangen wird.
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Ein Heimatverein oder ein Kindergarten löst das Problem nicht. Es fällt schwer, sich irgendeine andere Nutzung außer der Polizeistation zu überlegen – nicht einmal ein Archiv oder etwas Ähnliches könnte ich mir dafür vorstellen.

Franz Knauer

Wenn wir uns entscheiden, an einem Wettbewerb teilzunehmen, dann entscheidet man sich auch dafür, dass man das Programm, wie es ist, akzeptiert. Der wesentliche Fehler, der im Vorfeld passiert ist, der nun mit diesem Wettbewerb versucht wurde auszugleichen, ist die Erinnerungskultur. Die Kommission hat gut dargestellt, dass sie diese Erinnerungskultur von diesem Ort wegbringen wollen. Sprich, dieser Stein [der Gedenkstein vor dem Haus] soll weg.

Gedenkpolitischer Umgang
Es soll im Prinzip nichts an diesem Ort mehr mit Hitler in Verbindung gebracht werden. Das finden wir an sich eine richtige Entscheidung. Die Erinnerungskultur sollte zum Beispiel im Haus der Geschichte stattfinden und nicht vor Ort.
Jörg Springer
Ich denke nicht, dass dieser Ort diese Bedeutung, die er hat, überhaupt loswerden kann. Insofern kann man auch der Tatsache nicht ausweichen, dass alles, was ich dort mache, eine Bedeutung hat. Selbst, wenn ich nichts tue, selbst wenn man – wie das im Moment versucht wird – diesen Ort in die größtmögliche Belanglosigkeit zu überführen versucht, ist das auch eine Aussage.

Wenn mir das bewusst ist, kann ich eigentlich kaum noch anders, als mich aktiv dazu zu verhalten. Dann ist die Überführung in die Belanglosigkeit keine Option mehr.

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Im Haus der Geschichte ist es, was den Kult betrifft, eine negativ konnotierte, eine klare aufklärerische Erinnerungskultur. In Braunau hingegen ist es eher eine subversive, eine „bündlerische“, da treffen sich die Eingeschworenen. Das war an sich eine richtige Entscheidung. Die Entscheidung, ob Polizei oder soziale Einrichtung, ist keine leichte. Ganz pragmatisch gesehen: Wenn dort eine Polizeistation eingerichtet ist, und es treffen sich vor dem Gebäude Anhänger bestimmter Gesinnungen, kann die Polizei gleich eingreifen, sie ist immer vor Ort, hat das Geschehen sozusagen immer unter Kontrolle.

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Um den Gedenkstein gab es im Nachhinein viele Diskussionen. Nach Publikwerden der Wettbewerbsergebnisse kam sofort der Aufschrei, dass der Stein auf jeden Fall an diesem Ort bleiben muss.

DA

Der Aufschrei kam von der Gemeinde Braunau und auch von dem lokalen Verein für Zeitgeschichte, der sich bemüht, diese Erinnerungskultur – die dort auch im Negativen stattfindet – in einer positiven, aufklärerischen Weise zu gestalten. Der Verein für Zeitgeschichte hat sich unter anderem dafür eingesetzt, dass der Mahnstein 1989 vor dem Haus platziert wurde.

Franz Knauer

Mir scheint es problematisch, wenn man diesen Gedenkstein dort belässt.

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Auf der einen Seite steht die Historikerkommission, auf der anderen Seite die Gemeinde, beide mit unterschiedlichen Sichtweisen. Die Diskussion beginnt erneut, obwohl alle Positionen im Vorfeld des Wettbewerbs von der Kommission einer Klärung bedurft hätten.

Franz Knauer

Die Idee, den Gedenkstein dort zu belassen – ohne dass ich mich genauer damit beschäftigt habe – kommt mir sehr schwierig vor. Damit erhält man dort eine Gedenkkultur weiter aufrecht. Die Umbauarbeiten müssten unter strengster Kontrolle stattfinden – jeder Bretterboden, der da herausgerissen wird, könnte sofort als Devotionalie weltweit gehandelt werden. Ich glaube, man darf wirklich nicht unterschätzen, was da für eine Ideologie dahintersteckt.

DA

Die indirekte Empfehlung der Historikerkommission war, dass der Gedenkstein in das Haus der Geschichte nach Wien kommen soll.

Franz Knauer

Ja, das würde auch gehen!

1989
Mahnstein auf dem Gemeindegrund vor dem Gebäude
Nachdem das Anbringen einer Tafel auf dem Haus gerichtlich untersagt wird, findet die Errichtung des Mahnsteins vor dem Gebäude in der Salzburger Vorstadt auf Gemeindegrund statt.
1936
Inszenierung der rekonstruierten Wohnräume der Familie Hitler durch Josef Pommer, ab 1936
Der Eigentümer und Gastwirt Josef Pommer inszeniert ein „Führerkinderzimmer“ im Obergeschoss, ein Privatmuseum, das „nur ausländischen Tourist:innen, nicht aber Österreicher:innen“ gezeigt werden darf. Es gibt den ersten organisierten Tourismus zum Geburtshaus.
DA

Das würde bedeuten, den Gedenkstein aus dem Ort, wo er in den 1980er Jahren aufgestellt wurde – als Mahnstein zur Mahnung an die Opfer des Faschismus – zu entfernen und woanders hin zu überführen. Das ist schon eine radikale Geste. Laut Florian Kotanko, einem Braunauer Historiker, fühlen sich die Braunauer:innen so gewissermaßen ihrer Verantwortung beraubt: Sie befürworten mehrheitlich den Stein, der post Waldheim 1989 dort aufgestellt wurde – als die Debatte in Österreich überhaupt erst losging. Die Idee war, das Haus nicht mehr ohne die Mahnung fotografieren zu können. Und dass der immer noch bestehende „Hitler-Tourismus“ dadurch stets mit einer Abmahnung verbunden ist.

Franz Knauer

Ich glaube, man darf nicht unterschätzen, dass diese Ideologie nach wie vor in dieser Region eine sehr große Duldung hat – würde ich mal vorsichtig sagen. Ich glaube, da ist sehr viel unter den Teppich gekehrt worden. Ich bin da sehr skeptisch und nicht sehr optimistisch.

DA

Gab es neuralgische Punkte, an denen Sie die Teilnahme am Wettbewerb hinterfragt haben?

Franz Knauer

Nein, die gab es nicht.

DA

In Ihrem Beitrag gehen Sie auf der Textebene auf den historischen Kontext des Bestandsgebäudes gar nicht ein. Wie kam es zu dieser – ich gehe mal davon aus – sehr bewussten Entscheidung?

Franz KnauerNeutralisierung
Es war ein grundlegendes Anliegen, auch in der Auslobung, dass die negative Erinnerungskultur vor Ort ausgelöscht wird [...]. Es sollte alles daran gesetzt werden, dass das Gebäude so umgebaut wird, dass nichts mehr an das alte Gebäude erinnert. Das war das Thema und wir haben uns dazu entschlossen, am Wettbewerb teilzunehmen.
Arnold Brückner
Es hat dort nichts historisch Berichtenswertes stattgefunden. Die Geburt ist banal. Opfer- und damit auch Tätergruppen gibt es an dieser Stelle nicht. Aber mit dem Versuch, den Ort als Bezugspunkt zu beseitigen, entsteht zwangsläufig ein aussagekräftiges Bild über das Geschichtsverständnis der Republik Österreich in den 2020er Jahren.
Ist diese Strategie, die unbequemen Jahre 1938 bis 1943 zu übergehen und aus der überlieferten baulichen Substanz einen idealisierten Ort zu formen, zeitgemäß oder sind dies noch die Nachwehen eines Gründungsmythos der Zweiten Republik? Zukünftige Generationen werden es beurteilen.
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Für uns standen rein architektonische Fragen im Vordergrund: Wie oft wurde es schon umgebaut? Was ist die bauliche Geschichte des Gebäudes? Welche Zeitschicht nimmt man heraus, in welche führt man es zurück oder baut es weiter? Da gibt es unglaublich viele, einerseits theoretische Fragen bezüglich der Haltung, mit der man an ein Projekt herangeht. Und dann gibt es pragmatische, konstruktive Überlegungen. Das sind die, die uns mehr interessiert haben. Der historische Kontext wurde im Vorfeld von der Historikerkommission überlegt, darauf bauen wir auf. Die Berliner Gruppe, die ein Mahnmal errichtet hat, hatte natürlich eine komplett andere Herangehensweise gewählt. Wobei sich die Frage stellt, ob das die richtige Herangehensweise war. Aber als Statement war das Projekt natürlich interessant.

DA

Sie würden also sagen, dass diese Beseitigung der Erinnerung, die in der Auslobung dezidiert gefordert wurde, Ihren Entwurf maßgeblich beeinflusst hat, beziehungsweise der Entwurf darauf eingeht?

Franz Knauer

Ja, genau so würde ich es sehen. Die Funktionalität ist ein ganz wesentlicher Aspekt, und wenn Sie die nicht erfüllen, dann haben Sie bei keinem Wettbewerb eine Chance. Und ich glaube, wir haben einen Preis bekommen, weil wir die sehr gut erfüllt haben. Der Überbau war für uns abgeschlossen und wir haben daran weitergearbeitet.

DA

Können Sie uns kurz in Ihren Entwurf einführen und die Entwurfsidee schildern?

1746–1854
Das Gebäude in der Salzburger Vorstadt 15 in Braunau, 1933
Die beiden Einzelgebäude befinden sich ab 1746 in gemeinsamem Besitz. Mitte des 18. Jahrhunderts findet die bauliche Verbindung der beiden Gebäude statt. Die Fassaden werden einheitlich im Sinne des Biedermeier gestaltet, der Doppelgiebel wird abgetragen, die zwei ehemaligen Satteldächer werden zu einer Dachform zusammengeführt.
Franz Knauer

Man muss sich dem Thema von verschiedenen Seiten nähern. Die eine ist die städtebauliche Seite: Das alte Haus war ja schon umgebaut – eigentlich sind es, von der Struktur, von der Historie her, zwei Gebäude. Es wurde, glaube ich, im 19. Jahrhundert zu einem großen Haus vereinheitlicht. Wir haben es sozusagen optisch wieder rückgebaut in zwei Gebäude. Wobei wir im Erdgeschoss eine moderne Zone eingeführt haben. Wesentlich bei unserem Entwurf war, dass wir versucht haben, den rückwärtigen, nicht besonders attraktiven Platz mit dem Billa-Gebäude zu fassen. Wir haben versucht, die Kubatur nach hinten zu ziehen, um einerseits den Block zu schließen, der von der Kaserngasse, der Berggasse und der Salzburger Vorstadt gebildet wird, und andererseits den Platz zu fassen.

Die Größe des Wettbewerbsgrundstücks hat uns dazu veranlasst, viele Funktionen des Raumprogramms in einem Neubau auf dem hinteren Bauplatzbereich unterzubringen. Das Projekt des ersten Preises hat die Funktionen im vorderen, bestehenden Bauteil sehr stark komprimiert und im hinteren Grundstücksbereich ein Nebengebäude vorgeschlagen. Wir haben versucht, das nach hinten zu strecken und die Straßen und den Platz zu fassen. Das wurde nicht goutiert von der Jury.

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Es entsteht durch unseren Entwurf ein Innenhof, der zwischen Alt und Neu ein wesentliches Bindeglied bildet, das andockt an einen alten Arkadengang, der früher in ein rückseitiges Hofgebäude führte – in eine Brauerei.

DA

Sie haben sich fernab von Ihren ansonsten sehr funktional orientierten Überlegungen dazu entschieden, die Rückführung der Fassade in zwei Fassadenelemente umzusetzen und auch die bestehende Dachkonstruktion anzugreifen. Diese haben Sie aber nicht in ihre biedermeierliche Fassung mit Doppelgiebel zurückgeführt, sondern Sie haben ein Satteldach mit einem Walm vorgeschlagen.

Die Auslobung suggerierte diese Rückführung schon: „Die Rückführung zu diesen zwei getrennten Gebäuden ist vorstellbar.” Sie greifen das auf, und zugespitzt könnte man sagen, dass durch diese Halbierung baulich suggeriert wird, dass alles, was seit dem Biedermeier passiert ist – inklusive Nationalsozialismus – nie stattgefunden hat. Kann Erinnerung durch diese Halbierung baulich beseitigt werden, sowie die Auslobung das vorschlägt und wünscht?

Franz Knauer

Wir haben das Haus gespalten. [lacht]

DA

Sie arbeiten sehr viel im Bestand. Durch den Enteignungsprozess und das Enteignungsgesetz ist der Denkmalschutz total ausgehebelt worden. In einem vormals denkmalgeschützten Gebäude so frei agieren zu können, ist für Sie wahrscheinlich auch ungewohnt?

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Innen war das Gebäude durch diverse Einbauten über die Jahrzehnte schon so stark verändert, somit war die Entscheidung eines Zurückbauens gar nicht möglich, auch im Hinblick auf ein Funktionsprogramm, das dem Wettbewerb zugrunde liegt. Wir schauen uns die historische Substanz natürlich sehr genau an – welche Mauern oder Öffnungen man erhalten kann, ohne dass man gleich das ganze Gebäude entkernt. Im Grundriss etwa zeigt sich immer noch die Typologie der beiden Häuser – wahrscheinlich war das linke Haus daneben auch einmal zwei Häuser. Schlussendlich muss man eine Entscheidung fällen – und das ist auch oft eine optische Entscheidung, die auch verlangt wird, von uns als Architekten.

Franz Knauer

Das Bundesdenkmalamt wägt bei seinen Entscheidungen und Vorgaben genau ab. Oft entstehen aber auch aus gegensätzlichen Herangehensweisen Diskussionspunkte, die wiederum auch einen Denkmalschutz hinterfragen. Wir arbeiten gerne mit Alt und Neu, weil es hier um Maßstab geht, auch um historische Kontexte, aber schlussendlich muss man dann alles auf die Seite schieben, einen Bleistift in die Hand nehmen und sich vor das leere Blatt Papier setzen – da hilft auch kein Denkmalamt.

Gabriele Hochholdinger-KnauerBauliche Strategie
Vom Denkmalamt war keine „Bezugszeit” vorgegeben, es waren Schichten aus diversen Zeiten vorhanden. [...] Auf welche Schicht lässt man sich ein? Entweder ist eine verbindliche Vorgabe vorhanden oder wir als Architekten entscheiden uns aufgrund der Gegebenheiten und auch aufgrund dessen, was wir optisch und funktional als richtig empfinden – das ist natürlich manchmal auch subjektiv.
Franz Denk
Aber das Herstellen einer „optischen Normalität“ impliziert doch einen radikalen Bruch mit der Geschichte: das Haus wird auf sein Erscheinungsbild vor Adolf Hitler zurückretuschiert? Auf sein Erscheinungsbild aus welcher Zeitspanne? Man tut so, als hätte es Hitler hier nie gegeben und genau das macht das Haus wieder zu etwas Besonderem. Wäre das ein beliebiges Renaissancehaus, hätte unser Lösungsvorschlag sicher nicht so ausgeschaut wie unser Wettbewerbsprojekt.
Insofern kann man sagen, dass wir die Normalisierung nur teilweise unterstützt haben und die Besonderheiten des Hauses behutsam hervorgehoben haben.
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DA

Der Kommissionsbericht sieht vor, jede Öffentlichkeit zu vermeiden. Es beschleicht einen das Gefühl, als sollte der Wettbewerb stillschweigend abgehandelt werden, damit gar nicht erst eine öffentliche Diskussion entsteht. Haben Sie das auch so empfunden?

Franz Knauer

Ja, ich habe aber auch Verständnis dafür. Ich befürchte, dass es in Braunau ein sehr großes Potenzial jener gibt, die der früheren Situation sehr positiv gegenübergestanden sind. Ich glaube daher nicht, dass man da eine große Diskussion und eine öffentliche Auseinandersetzung starten sollte.

Gabriele Hochholdinger-Knauer

Besser ist es, ein Projekt zu präsentieren und dann in die Diskussion zu gehen.

Franz KnauerÖffentlichkeit
Was ich nicht sagen möchte ist, dass man das alles unter den Teppich kehren sollte. Ich denke aber, dass man die Diskussion – und das ist glaube ich die Grundessenz von diesem Wettbewerb, von der Historikerkommission – von diesem Ort loslösen muss. Ich bin für Diskussion, ich bin für Aufarbeitung, aber nicht anhand des Geburtshauses Hitlers in Braunau.