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Diskurs Architektur

Sehr geehrter Herr Landespolizeidirektor Pilsl, Sie sind in die geplante Umgestaltung des Hauses in dem Adolf Hitler geboren wurde in vielfältiger Weise eingebunden: als Mitglied der vorbereitenden Kommission, als Sachpreisrichter in der Wettbewerbsjury und letztendlich als Direktor der Landespolizeidirektion Oberösterreich auch als Nutzer.

Bei dem Gebäude in der Salzburger Vorstadt 15 handelt es sich um einen Ort von zentraler gedenkpolitischer Bedeutung, der weder Opfer- noch klarer Täterort ist. Braunau wird immer damit verbunden sein, dass Adolf Hitler dort geboren wurde – obwohl er nach seiner Geburt 1889 nur noch wenige Monate dort lebte. Wie wurde Ihnen dieser Ort, also dieses Geburtshaus, erstmals bewusst?

Andreas Pilsl

Für mich ehrlicherweise erst durch die Arbeit. Ich habe natürlich gewusst, dass Hitler in Braunau geboren ist, das hat man schon in der Schule gelernt – aber das Geburtshaus an sich war mir nicht bekannt, etwa wie es ausschaut. Ich bin schon sehr lange bei der Polizei, auch als Teil der Einsatzeinheit Oberösterreich, die immer wieder zum Geburtstag Hitlers in Braunau bei Demonstrationen und Veranstaltungen eingesetzt wird, die möglicherweise abgehalten werden. Also das ist mir schon sehr lange bewusst, noch als Mitarbeiter und dann als Leitender in der Einsatzeinheit. Sicher seit 25, 30 Jahren.

DA

2016 hat der damalige Bundesminister Wolfgang Sobotka die Kommission zum „historisch korrekten Umgang“ mit Expert:innen, Zeithistoriker:innen, Jurist:innen, Vertreter:innen aus Verwaltung, Zivilgesellschaft und Politik eingesetzt, um rechtliche wie historische Fragen zum Umgang mit dem Haus zu erörtern – und eine Empfehlung abzugeben, wie mit dem Gebäude umzugehen ist. Diese Kommission hat mit ihrem Abschlussbericht die wichtigste Grundlage für den Architekturwettbewerb bereitgestellt. Welche Expertise haben Sie in die Kommission eingebracht?

Andreas Pilsl

Meine Rolle war durchaus auch, das Vorhaben in sicherheitspolitischer Hinsicht zu beleuchten. Was bedeutet das? Womit haben wir unter anderem „sicherheitstechnisch“ zu kämpfen? Und wie könnte man dem entgegentreten, was wäre eine Lösung, die zur Entschärfung der Situation beitragen könnte? Weniger der architektonische Blick.

DA

Die Kommission bestand aus 13 Mitgliedern, von denen fünf direkt dem Bundesministerium für Inneres zuzuordnen sind. Positionen aus dem musealen Bereich oder aus der Architektur waren hier gar nicht vertreten. Ist Ihnen bekannt, wie die Kommission grundsätzlich zusammengestellt wurde und wie ihre grundlegenden Fragestellungen erarbeitet worden sind?

Andreas Pilsl

Das weiß ich nicht, das ist schon wieder so lange her, das entzieht sich meiner Erinnerung. Ich weiß nur, dass ich als sicherheitspolizeilicher und politisch Verantwortlicher im Land mit eingebunden worden bin, um diese Situation auch darstellen zu können. Und in einer gewissen Form auch Einfluss darauf zu nehmen, wie die weitere Gestaltung sein wird. Weniger in Bezug auf die Architektur, sondern eher auf die architektonische Umgestaltung, damit das Gebäude den Wiedererkennungswert verliert. Der Erkennungswert erzeugt quasi diese Pilgerstätte – um das ist es eigentlich gegangen.

DA

Die Kommission hat abschließend zwei Empfehlungen ausgesprochen: eine sozial-karitative Nutzung, sowie eine administrativ-behördliche Nutzung, die als gut geeignet eingeordnet wurde, um den Enteignungszweck zu rechtfertigen. Können Sie uns die Hintergründe dieser Empfehlungen schildern und vielleicht auch darauf eingehen, warum museale oder edukative Nutzungen von der Kommission abgelehnt worden sind?

Andreas Pilsl

Da hat es natürlich Diskussionen gegeben, die in erster Linie dominiert waren von Zeitzeugen und Personen, die sich mit dieser Zeit umfassend beschäftigen. Da war auch nicht unbedingt meine Expertise gefragt. Das finde ich schwer zu beantworten, das müssten andere Kommissionsmitglieder beantworten.

DA

Sie haben sich 2017 direkt in die Debatte um den Umgang mit dem Gebäude eingebracht, indem Sie dessen Abriss gefordert haben. Es nur einer Umnutzung zuzuführen, hielten Sie nicht für ausreichend.

Andreas Pilsl

Ja? Wirklich?

DA

Ja, die entsprechenden Artikel sind online noch abrufbar. Es wäre interessant, wenn Sie Ihre damalige Position noch einmal darlegen könnten. Halten Sie einen Abriss nach wie vor für richtig?

2023
Weitere Steigerung der Baukosten auf nunmehr 20 Millionen Euro. Ursprünglich waren fünf Millionen Euro vorgesehen, im April 2022 ging man bereits von elf Millionen Euro Kosten aus, jetzt soll der Umbau rund 20 Millionen Euro kosten.
Andreas Pilsl

Sagen wir einmal so, in Wahrheit ist es darum gegangen, den Wiedererkennungswert zu reduzieren. Mit einem Neubau ist der total reduziert. Das war der einfache polizeiliche Zugang, weniger jetzt der historische Zugang. Dieser Zugang ist natürlich nicht getragen von geschichtlicher Expertise und von der weitreichenden Entscheidung für viele Menschen, die sich inhaltlich damit beschäftigen. Durch den geplanten Umbau wird das Gebäude jedenfalls seinen Wiedererkennungswert verlieren – es ist natürlich wesentlich teurer umzugestalten, als neu zu bauen. Das ist die sehr einfache polizeiliche Sicht. Die hat bei Historikern und Architekten für Empörung gesorgt – dass man so etwas überhaupt andenken kann.

2016
Eine Debatte um die künftige Nutzung des Gebäudes wird durch die Forderung des Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) angestoßen, da laut ihm keine Denkmalwürdigkeit gegeben sei: „Das Hitler-Haus wird abgerissen. Die Kellerplatte kann bleiben, aber es wird ein neues Gebäude errichtet. Das Haus wird dann entweder einer karitativen oder einer behördlichen Nutzung durch die Gemeinde zugeführt.“ („Hitlers Geburtshaus wird abgerissen“, Die Presse, 17.10.2016)
1945
Am 2. Mai 1945 wird Braunau durch amerikanische Truppen „befreit“, die in weiterer Folge eine geplante Sprengung des Gebäudes durch Nationalsozialisten verhindern können.
DA

Bundesminister Sobotka hatte ungefähr zur selben Zeit ebenfalls den Vorschlag eines möglichen Abrisses eingebracht. Wie wurde denn der Abriss in der Kommission diskutiert? Hier waren ja durchaus auch gegensätzliche Positionen vertreten, die einen Abriss des Gebäudes kategorisch abgelehnt haben – unter anderem mit Verweis auf die Geschichte: die Alliierten hatten die Zerstörung des Gebäudes nach Kriegsende aktiv verhindert.

Andreas Pilsl

Ja, das ist umfangreich diskutiert worden, jeder hat seine Sichtweise eingebracht. Für mich ist es in erster Linie darum gegangen, den Wiedererkennungswert zu reduzieren. Und wenn das anders auch funktioniert … mir war nicht bewusst, welche Bedeutung ein Abriss für manche gehabt hätte. Mich hat das als Polizist relativ wenig betroffen. Daher war das einfach, meine sicherheitspolizeiliche Meinung einzubringen, wenn es darum geht, dass man dort die Pilgerstätte in irgendeiner Form unattraktiv machen will. Historiker haben mich davon überzeugt, dass das vielleicht nicht gescheit ist, und dass das einen Sturm der Entrüstung auslösen würde.

2019
Das Innenministerium unter Wolfgang Peschorn beschließt, dass künftig das Bezirkspolizeikommando und die Polizeiinspektion Braunau im Gebäude Salzburger Vorstadt 15 untergebracht werden sollen (Parlamentarische Anfragebeantwortung Seite 4, Frage 8).
DA

Ausgehend von den Empfehlungen der Kommission hat Wolfgang Peschorn laut parlamentarischer Anfragebeantwortung dann 2019 die finale Entscheidung getroffen, das Gebäude als Polizeistation zu nutzen. Waren Sie als zukünftiger Nutzer in diese Entscheidung eingebunden?

Andreas Pilsl

Ja natürlich. Es ist ja auch schon in der Kommission diskutiert worden, was die Nutzung sein könnte. Wenn man von sozial-karitativ spricht, muss man ja auch überlegen, was könnte das sein? Genau wie bei einer möglichen behördlich-administrativen Nutzung – und da war die Polizei schon Thema. Ich habe mich dann natürlich auch massiv eingebracht: wenn wir da quasi reingehen müssen, dann muss das den Bedürfnissen der Polizei auch entsprechen. Weil nur in die historischen Mauern einzuziehen, das würde ich für eine völlig falsche Information nach außen hin deuten. Es muss schon klar sein, dass sich da massiv etwas verändert hat. Ich war dann auch noch eingebunden in die Entscheidung, die der Minister getroffen hat.

Andreas PilslPolizeistation
Ich glaube, dass die Nutzung als Polizeistation eine sehr gute Lösung ist, die vielen Ideen entspricht – auch denen der Polizei. Dass wir dort ordentlich arbeiten können – das war mir wichtig. Dass wir nicht nur, um das Ganze politisch zu rechtfertigen, herhalten, sondern es muss polizeilich dann auch etwas bringen.
Gabu Heindl
Der Umbau ist ein sehr deutlicher Versuch, das Problem loszuwerden, indem das Gewaltmonopol, das der Staat hat, beinahe noch einmal verbildlicht wird, indem die Polizei dort einziehen soll. Mit dem perfiden Argument, dass damit dann die Hüter des Gesetzes selbst vor Ort wären.
Im selben Moment müsste es aber eine intensive Auseinandersetzung des Bundes damit geben, in welcher – zum Teil – Nähe zu rechter Politik und rechten Ideologien die Polizei selbst steht. Ohne eine intensive Auseinandersetzung damit, wofür die Polizei leider auch steht, etwa für praktizierten Alltagsrassismus, kann das nicht gehen. An dem Ort zeigt sich noch viel deutlicher, wie unreflektiert, wie unkritisch mit diesem Gewaltmonopol umgegangen wird.
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Das hat sich schlussendlich gut zusammenführen lassen.

DA

Das heißt, eigentlich wurde mit der Entscheidung für die Nutzung als Polizeistation die Möglichkeit eines Zubaus festgelegt?

Andreas Pilsl

Ja, es war klar, dass die Ausmaße für die Polizei zu klein sind. Man hat gewusst, man muss da etwas tun. Wie das dann zum Schluss wirklich ausschaut, das war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannt.

DA

Waren Sie nach dieser Entscheidung in die Erstellung der Auslobungsunterlagen für den Architekturwettbewerb durch die Bundesimmobiliengesellschaft eingebunden?

Andreas Pilsl

Ja, natürlich. Allerdings nur über das Bundesministerium, das ja auch der Besitzer der Liegenschaft sein wird. Nur zu Ihrer Information: wir sind überall in ganz Österreich eingemietet. Das Geburtshaus ist, glaube ich, dann das einzige Objekt in Oberösterreich, das tatsächlich auch dem Bund gehört – in dem Fall dem Innenministerium. Es gibt ganz klare Richtlinien, die erfüllt werden müssen für eine Polizeidienststelle. Und das muss sich wiederfinden, auch in diesem Projekt. Darüber hinaus ist ja auch noch etwas mehr angedacht, weil die Örtlichkeit natürlich nicht nur historisch, sondern auch geografisch betrachtet interessant ist.

DA

Wie wird sich diese Polizeistation von anderen Polizeistationen unterscheiden?

Andreas Pilsl

Die Polizeiinspektion plus dem Bezirkspolizeikommando – das wird von den Abmessungen und von den Raumaufteilungen usw. ähnlich anderen sein, natürlich ein bisschen angepasst durch die Umbaumaßnahmen. Aber was noch hinzukommt, sind zusätzliche Schulungsräume, wo wir mehr machen, als es normalerweise in einer Polizeiinspektion oder einem Bezirkskommando stattfindet. In der Arbeit, die dort dann geleistet wird, wird es um die Aufarbeitung historischer Hintergründe gehen, aber in erster Linie um Menschenrechtsthemen. Denn die Polizei versteht sich auch als die größte Menschenrechtsschutzorganisation. Dem wird dort ein weiterer Raum gewidmet und daher werden auch die Räumlichkeiten entsprechend adaptiert, sodass dort entsprechende Veranstaltungen stattfinden können.

DA

Wurden mit dieser spezifischen Ausrichtung der Polizeistation an diesem Standort Vorschläge einzelner Kommissionsmitglieder berücksichtigt? Es war ja auch von einer Ausbildungsstätte für Menschenrechte oder einer Forschungseinrichtung, die sich der Aufarbeitung der Geschichte der Polizei widmet, die Rede. Wurden diese Vorschläge nach dem offiziellen Kommissionsbericht an das Bundesministerium herangetragen?

Andreas Pilsl

Es gibt seit Jahren ein Projekt, das heißt Polizei. Macht. Menschenrechte. Das soll ganz klar zum Ausdruck bringen, dass wir nur in die Rechte des Einzelnen eingreifen, wenn es darum geht, die Rechte anderer gerechtfertigt zu schützen. Das ist ein Schwerpunkt in der Ausbildung seit vielen Jahren und dem wird dort in Braunau ein besonderer Raum gewidmet. Daher sind die Räumlichkeiten dann auch so adaptiert worden, dass so etwas in einem optimalen Umfeld möglich ist. Das ist aber isoliert von der Polizeiinspektion zu sehen, weil die muss funktionieren. Und dann gibt es einen zweiten Teil, wo diese anderen Themen abgearbeitet werden.

DA

Sie waren als Berater des Preisgerichts ohne Stimmrecht auch in den Architekturwettbewerb direkt involviert. Laut dem Juryprotokoll wurde bei allen Projekten der Umgang mit dem historisch belasteten Bestand kontrovers diskutiert. Können Sie sich noch an diese Kontroversen erinnern?

Andreas Pilsl

Ich weiß, dass es unterschiedliche Meinungen gegeben hat. Für mich war es spannend zu sehen, wie denn so etwas überhaupt abläuft. Letztendlich ist das ganz gut geführt worden. Es waren trotzdem ganz unterschiedliche Zugänge zu manchen architektonischen Ideen. Das war für mich interessant und da hat man gemerkt, dass das doch was mit Kunst zu tun hat. Hier gilt nicht „das ist Gesetz” – so wie wir das gewohnt sind – sondern da gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Es war nicht so, dass jemand abgedreht wurde, weil es muss in eine Richtung gehen. Letztendlich haben sich die Sichtweisen trotzdem gefunden. Es waren schon einige spannende Projekte dabei, die an der Funktionalität für die Polizei schon massive Zweifel aufkommen haben lassen. So habe ich meine Rolle gesehen, dann zu sagen, das geht für eine Polizei halt gar nicht. Es mag architektonisch nett sein, aber da waren schon ein paar ganz spannende Geschichten, mit irgendwelchen Wäldern am Dach.

DA

Der Entschluss für das Siegerprojekt ist schlussendlich einstimmig gefallen, trotz der Kontroversen zuvor. Wie ist es zu dieser Einstimmigkeit gekommen?

Andreas Pilsl

Ich glaube, durch eine gute Leitung, die es dann geschafft hat, alle unter einen Hut zu bringen. Und auch durch eine entsprechende Wertschätzung der Kollegen untereinander. Das ist denke ich auch essentiell, dass die Leute miteinander können und bereit sind, andere Sichtweisen zu akzeptieren. Das war schon sehr beeindruckend. Als letztendlich entschieden wurde, da waren die Jurymitglieder nicht mehr weit auseinander. Da war die Entscheidung für einen jeden, glaube ich, tragbar.

DA

Wie wurde denn die Sprachlichkeit der Beiträge in der Jury diskutiert? Auf dem Wettbewerbsplakat des Gewinnerbeitrags von Marte.Marte ist beispielsweise von einem „Führergeburtshaus“ die Rede. Ist Ihnen dieser – sagen wir unbedarfte – sprachliche Umgang auch aufgefallen?

Andreas Pilsl

Mir persönlich ist das nicht aufgefallen.

Andreas PilslSprachlichkeit
Für mich waren die Sprachlichkeit und die historische Bedeutung und der Umgang damit nicht so bedeutsam wie für manche andere Jurymitglieder. Ich habe das eher aus dem sicherheitspolitischen Bereich heraus betrachtet und darauf geachtet, dass es aus polizeilicher Sicht Sinn macht.

Aber in Wahrheit war das natürlich immer ein Thema für uns – jedes Mal im April in erster Linie, aber auch sonst. Wir haben jetzt Anti-Corona-Demos, die positionieren sich vor dem Gebäude und heben auffällig die Hand, also es ist immer wieder Thema.

DA

Sie haben vorhin erwähnt, dass aus polizeilicher Sicht die größtmögliche Unkenntlichmachung wichtig ist. Ich zitiere kurz die Ausschreibung: da heißt es „durch die äußerliche Umgestaltung des Bestandsgebäudes soll die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus beseitigt werden“. Wie stehen Sie zu dieser Aussage, die konträr zu jeder Form von geschichtspolitischer Vermittlungs- und Bildungsarbeit steht?

Andreas PilslNeutralisierung
Entscheidend war für mich das Entziehen des Wiedererkennungswertes. […] Sehr salopp gesagt, wenn das Gebäude weg wäre und da steht ein Hofer-Markt, dann weiß ich nicht, wo der Nazi jetzt hingeht und irgendwen huldigen will.
Andreas Henter
Ich glaube schon, dass man sich grundsätzlich der Verantwortung stellen muss, um auch sagen zu können: Wir tun mit diesem Gebäude etwas.

Für uns war es wichtig, dass es diese geschichtliche Abhandlung über das Expertengremium [Anm.: die Historikerkommission] gegeben hat. Ihr Ergebnis haben wir bewusst nicht hinterfragt.

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Das ist nämlich die radikale Variante, zu sagen: so und fertig. Die ist es ja nicht geworden. Es ist allen sehr bewusst, mit dem Ganzen verantwortungsvoll umzugehen und eine gute Lösung zu erarbeiten. Wiewohl ich weiß, dass es Personen gibt, lokale unter anderem auch, die sich auch ein Museum vorstellen hätten können. Nur dann wäre das Gebäude möglicherweise wieder zu einer Pilgerstätte geworden. Es gibt viele Sichtweisen, ich bin mit der Entscheidung jetzt grundsätzlich ganz zufrieden. Wahrscheinlich gibt es nicht das einzig Richtige und das einzig Falsche. Dafür haben wir uns jetzt entschieden und ich glaube, dass das ein guter Weg ist.

DA

Zum Abschluss noch zwei Fragen, die auch das Thema der Verantwortung noch einmal aufnehmen. Die Polizei als Institution soll und wird das Gebäude nutzen. Die eigentlichen Nutzer:innen aber werden Einzelpersonen sein. Gibt es Überlegungen, wie die Polizei im Anlassfall mit externer oder interner Vereinnahmung verfährt?

Andreas Pilsl

Eines ist klar: die Polizisten, die in dieses Gebäude einziehen, werden auch darauf vorbereitet werden. Weil nicht jeder das historische Wissen hat, die Weitsicht, was selbst Kleinigkeiten auslösen können. Das heißt, wir werden uns um die Kollegen im Vorfeld kümmern, auch um diejenigen, die dann hinkommen, um entsprechend ausgebildet oder fortgebildet zu werden. Aber dass es eine Vereinnahmung immer wieder geben kann, von einem Gegenüber, das ist uns bewusst. Da muss man sensibel sein und auch entsprechende Umfeldermittlungen laufend führen, damit nicht wieder etwas entsteht, was man in der Form ja genau unterbinden wollte.

DA

Ein anderes vorstellbares Szenario: im Rahmen einer Verhaftung oder einer Vernehmung im Gebäude kommt es zu einer Wiederbetätigung und es werden Fotos über soziale Medien verbreitet.

Andreas Pilsl

Wir sensibilisieren jetzt nicht nur unsere Kollegen, sondern auch die Öffentlichkeitsarbeit im Haus. Die sind da schon sehr weit – der Leiter unseres Büros ist sehr bewandert und kümmert sich darum. Aber ja, man muss immer total aufpassen, weil nicht alle Kollegen diese Sensibilität an den Tag legen. Daran muss gearbeitet werden. Wir sind bereit, das zu tun. Wir sind in Oberösterreich extrem sensibel, was das Thema anlangt. Das Mauthausenkomitee hat uns unlängst auch wieder einmal gelobt. Wir zeigen – wahrscheinlich im Vergleich zu anderen Bundesländern – mehr an, weil diese Sensibilität da ist, weil wir wissen, dass wir mit Braunau und Mauthausen Stätten haben, die man weit über die Landesgrenzen hinaus kennt. Genau in der Art und Weise soll das auch weitergehen.

DA

Speziell aus deutscher Perspektive wurde die Entscheidung für eine Polizeistation medial als eine Ad-Hoc-Lösung wahrgenommen und eingeordnet. Das könnte man auch der fehlenden Öffentlichkeitsarbeit zuschreiben – schließlich zeichnet sich das Vorhaben der Umgestaltung des Geburtshauses bislang dadurch aus, dass die Öffentlichkeit extrem wenig involviert worden ist. Dieser Tatsache stehen wir durchaus kritisch gegenüber. Unsere Nachbesprechung ist ein Versuch, zumindest im Nachhinein eine gewisse Transparenz herzustellen und aufzuschlüsseln, wie und warum bestimmte Entscheidungen getroffen worden sind.

Andreas PilslÖffentlichkeit
Also die Öffentlichkeitsarbeit dazu hätte man sicher intensivieren können. Dann würde man sich die kritische Nachbesprechung jetzt vielleicht sparen.
Wolfgang Lorch
Ich glaube sogar, dass man über Partizipation und andere Verfahren – Architektur ist ja in diesem Fall eine öffentliche Sache, eine Res Publica – zu einem besseren Ergebnis gekommen wäre, wenn man eine breite Debatte, einen breiten gesellschaftlichen Diskurs oder die Partizipation über Beteiligungsverfahren gesucht hätte.
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Schlussendlich bin ich froh, dass ich in meiner Rolle als Landespolizeidirektor Teil der Jury war, wenn auch ohne Stimmrecht. Dass es letztendlich eine Polizeistation geworden ist, das hat sich gut ergeben. Es hätte ja auch sein können, dass ich drinnen sitze und letztendlich wäre die Lebenshilfe reingekommen. Insofern hat man sich noch zusätzlich einbringen können. Das war aus polizeilicher Sicht ein Glücksgriff, um genau dieses Thema Wiedererkennungswert mit einzubringen und darüber hinaus als zukünftiger Nutzer mitgestalten zu können oder Dinge zumindest ausschließen zu können, wo man sagt, nein das geht gar nicht. Das ist dann auch so weit akzeptiert worden.

DA

Hätten Sie es begrüßt, wenn die Debatte breiter geführt worden wäre?

Andreas Pilsl

Die Frage ist, ob man dauernd endlos diskutiert und letztendlich wieder nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung kommt, weil man nicht alle befriedigen kann. Aber man wird damit nicht fertig. Man wollte dann irgendwann auch einmal die Entscheidung treffen, nachdem es eh ein langer Prozess mit der Enteignung und so weiter war. Ich glaube schon, dass der Prozess sehr breit aufgestellt war von Persönlichkeiten, die wirklich auch anerkannt sind. Und man muss dann auch Vertrauen haben irgendwann.