Sie haben in Kooperation mit Springer Architekten Berlin an dem Wettbewerb in Braunau teilgenommen. Wie wird einem dieser Ort, das Geburtshaus von Adolf Hitler, bewusst?
Die Vorgeschichte des Hauses mit der ehemaligen Eigentümerin Gerlinde Pommer und den gescheiterten Sanierungsversuchen gab den Anlass zur Enteignung 2016/17. Der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka war für den Abriss. Die Historikerkommission empfahl jedoch den Erhalt. Ihr Bericht war die Grundlage für diesen Wettbewerb. Die Vorbereitung des Wettbewerbs verfolgten wir aufmerksam, um an dem Bewerbungsverfahren teilzunehmen. Das Verfahren war wie viele andere ein EU-offenes. Aber die Ausschreibung war aufgrund des Titels „Umgestaltung des Hauses Salzburger Vorstadt 15“ nicht leicht zu finden. Da musste man schon genau beobachten.
Was bedeutet dieser Ort konkret für Sie?
Für uns stellte sich die Frage: Kann man anknüpfen oder muss man sich abgrenzen? Dass da 1889 tatsächlich ein Säugling geboren wurde, ist nicht relevant. Wenn man sich in die zahlreichen heutigen Zeitungsartikel einliest, stößt man auf viele richtige Meinungen, die sagen, das Kind ist ja erstmal unschuldig. Im Internet lassen sich aber auch Bilder finden, auf denen man sieht, wie dieses Haus ab 1938 benutzt wurde: Beflaggungen, Feiern und Aufmärsche, bis hin zur musealen Inszenierung. Es findet sich aber auch Propagandamaterial: Postkarten, Briefmarken, Sonderstempel, die sich auf diesen Ort als einen Ursprungsort beziehen. In dieser Absicht wurde er inszeniert und wahrgenommen und damit ist er bis heute kontaminiert.
Dieser Inszenierung des Geburtsortes durch die Nationalsozialisten wird in der Auslobung sehr wenig Raum gegeben. Dort wird auf den physischen Geburtsort deutlich mehr fokussiert als auf die Aneignung des Geburtshauses oder auf den Tourismus, der dort auch schon vor 1938 stattfand.
Ja, das wird ausgeblendet. Man muss das rekapitulieren: Was ist an dem Gebäude authentisch? Wie weit kann ein Gebäude, dessen Baugeschichte bis ins Mittelalter zurückreicht und mehrfach umgebaut wurde, überhaupt authentisch sein? Im Jahr 1938 war der authentische Geburtsort nicht mehr vorhanden. Es ist zudem überhaupt nicht bekannt, wo sich die Familie Hitler einst eingemietet hatte. Dazu kommt: Das Anwesen war bis in die 1940er Jahre wesentlich größer. Es gab Hintergebäude und es wurde insgesamt als Gasthaus mit Fremdenzimmern, aber auch als Brauerei genutzt. Wenn man sich Fotos aus den 1920er Jahren anschaut, erkennt man eine neogotisierende Fassade des Wirtshauses, die nach 1889 angebracht wurde, aber heute nicht mehr vorhanden ist. Denn von 1938 bis 1943 gab es aufwändige Umbaumaßnahmen für eine museale Nutzung, während der auch die nicht repräsentativen Bauteile auf der Rückseite abgebrochen wurden.
Das Thema der Kultstätte war in Ihrem Entwurf sehr präsent, das wird vor allem im Vergleich mit anderen Entwürfen deutlich. Was war die Motivation für Sie als Architekturbüro, an dem Wettbewerb teilzunehmen und wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Jörg Springer?
Wir sind als Nachgeborene nicht persönlich betroffen, aber wir leben im Kulturkreis Deutschland, Österreich, Mitteleuropa. Daher sollte man zu dem Thema einen Standpunkt entwickeln und einen Diskussionsbeitrag liefern. In der Diskussion im Vorfeld wurde deutlich, in welche Richtung das gehen kann oder sollte. Wir waren der Meinung, dass wir dort etwas anderes zu sagen haben und wollten uns daher an der Diskussion beteiligen.
Ich habe vor 15 Jahren bei Jörg Springer in Berlin gearbeitet und schätze seine präzise Haltung beim Bauen in historischen Kontexten. Daher haben wir für diesen Wettbewerb die Zusammenarbeit mit ihm gesucht. Der Wettbewerbsbeitrag ist eine Gemeinschaftsarbeit.
Die Auslobung ist maßgeblich beeinflusst von den Empfehlungen der Historikerkommission, die eigens eingesetzt wurde, um diesen Wettbewerb vorzubereiten. Die Kommission spricht zwei Empfehlungen für den so bezeichneten „historisch korrekten Umgang“ mit diesem Gebäude aus: Die sozial-karitative Nutzung, die geeignet wäre, um mit der Symbolkraft dieses Ortes zu brechen und die behördlich-administrative Nutzung, die den Zweck des Enteignungsverfahrens rechtfertigt und erfüllt. Wie stehen Sie zu den Nutzungsvorschlägen der Kommission?
Nach dem Krieg gab es zunächst eine kulturelle Nutzung als Bibliothek und seit den 1970er Jahren eine karitative als Tagesheim und Werkstätte für Menschen mit Behinderung. Über die damaligen Motive ist uns nichts bekannt. War dies bereits ein Versuch von Dekontaminierung? Kann dies, für den Fall, dass es eine Strategie war, heute noch tauglich sein? Um es überdeutlich zu sagen: Man nimmt Vertreter*innen einer damaligen Opfergruppe – vorgeschlagen wurden übrigens wieder Menschen mit Behinderungen – setzt sie da rein und alles ist wieder gut? Das ist viel verlangt! Wer kann das aushalten?
Im Vorfeld des Wettbewerbs gab es karitative Organisationen, die sich gegen eine solche Instrumentalisierung ausgesprochen haben.
Eine karitative Nutzung sollte man ganz klar ausschließen, auch wenn das vielleicht in der Vergangenheit funktionierte. Die administrative Nutzung ist hingegen nachvollziehbar. Eine Polizeistation dort als Besetzung im Sinne einer Verdrängung oder Einnahme dieses Ortes zu verstehen, ist zunächst einmal gut gedacht. Auf dass man einer missbräuchlichen Aneignung zuvorkommt, diese verhindert und unterbindet. Aber der Haken ist die geschichtliche Kontinuität, die zwischen heutiger Polizei und NS-Staat hergestellt werden kann. Zudem wissen wir auch nicht, ob sich die Polizei in all ihren Teilen immer adäquat verhalten wird. Es besteht die Gefahr, dass Assoziationen hergestellt werden, an die man lieber nicht denken möchte. Auch wenn wir heute eine rechtsstaatliche Polizei haben – und ich spreche ganz bewusst nicht gegen unsere Polizei. Es bleibt eine sehr hohe Verantwortung. Da liegt auch ein Anspruch an das Gelingen. Das aber kann niemand für die Zukunft in allen Teilen und zu jeder Zeit garantieren.
Dieses Ringen um eine Nutzung des Gebäudes ist der Kern vieler Fragestellungen: Man stand vor der Herausforderung, eine wie auch immer geartete Nutzung vorgeben zu müssen, um dieses Gebäude zu füllen. Inwieweit war daher der Realisierungswettbewerb das richtige Format für den Umgang mit diesem Gebäude? Beziehungsweise wäre nicht ein Ideenwettbewerb das bessere Verfahrensmodell gewesen?
Dann ist doch die Frage: Was kann der Architekt eigentlich leisten? Inwieweit kann sich die Architektenschaft an einer solchen Diskussion beteiligen? Dafür gab es die Historikerkommission, die diese Frage eigentlich beantworten sollte. Wenn ihr dieses Gespräch mit Oliver Rathkolb [Mitglied der den Wettbewerb vorbereitenden Historikerkommission] schon geführt habt, wäre für uns interessant zu wissen: Wie kommt man als Historiker zu der Annahme, dass man ein Gebäude soweit normalisieren kann, dass es nicht mehr auffindbar ist? Denn Hermann Feiner [Sektionschef des Bundesministeriums des Innern und in dieser Funktion Teil des Wettbewerbspreisgerichts] sagte während des Kolloquiums, er habe sich mit Oliver Rathkolb unterhalten. Dieser habe ihm das Bild einer Person gezeichnet, die diesen Ort aufsuchen möchte, vielleicht anhand eines historischen Fotos. Es gelingt aber nicht, weil keine oberflächlichen Zusammenhänge mehr herstellbar sind. Diesen Ort unauffindbar zu gestalten, war die eigentliche Wettbewerbsaufgabe. Unserer Ansicht nach ist dies ein Paradoxon: Unauffindbare Orte sind in der heutigen Medienzeit kaum mehr möglich.
Auch aufgrund der vielen historischen Dokumente und des Mahnsteins vor dem Haus. Im Wettbewerb und in den Gesprächen zum Wettbewerb ging der Auslober davon aus, dass dieser Stein entfernt werden würde. Das Wettbewerbsergebnis hat aber dazu geführt, dass sich verschiedene Eigentümer bzw. Rechtspersönlichkeiten, der Bund und die Gemeinde, nun dagegen entschieden haben. Nun wird dieses Gebäude entsprechend des Wettbewerbsergebnisses normalisiert oder neutralisiert, um in der Sprache der Ausloberin zu bleiben. Der Stein aber bleibt davor. Ist die Aufgabenstellung des Wettbewerbs deswegen schon gescheitert? Wenn ich einen spezifischen historischen Ort normalisiere und dann habe ich einen Gedenkstein davor, der sagt: Hier ist es passiert – das ist ja ein bisschen absurd, oder?
Hier sind sich auch Historiker:innen uneins. Florian Kotanko, Obmann des Braunauer Vereins für Zeitgeschichte, setzt sich vor Ort sehr stark ein – unter anderem mit der Gründung der Braunauer Zeitgeschichte-Tage – und vertritt die Gegenmeinung zum Konzept der Neutralisierung. Sind Sie mit den von der Historiker:innenkommission vorgegebenen Nutzungen einverstanden? Hätten Sie als Architekt andere Nutzungskonzepte vorgeschlagen?
Die Idee war, alles aus dem Gebäude herauszunehmen, was in der Nazizeit hinzugefügt wurde, es nicht abzutransportieren, sondern es dort als Schuttmaterial vor Ort zu belassen. Nun gibt es das Problem, dass immer gewollt oder ungewollt eine Form entsteht. Es kann kein glorifizierendes Mahnmal sein. Es kann nur ein Ort des mahnenden Erinnerns sein. Letztendlich ist es eine Strategie des Offenhaltens einer Wunde, eine dauerhafte Vergegenwärtigung, dass es hier Nationalsozialismus gegeben hat, dass es hier einen Anknüpfungspunkt gibt und wir nicht davor gefeit sind, dass in Zukunft nicht ähnliches passieren kann. Ein Ort einer gedanklichen Auseinandersetzung war für uns die einzige Nutzung, die wir uns vorstellen konnten, die keine Kontinuität zwischen einer heutigen Organisation und der damaligen Vereinnahmung ermöglicht.
... aber dennoch mit dem Gegenüber der Polizeistation in einem rückwärtigen Gebäude.
Mit dem Vorschlag, dem Bestandsgebäude jegliche Nutzung zu entziehen, ist Ihr Wettbewerbsbeitrag der einzige, der die Auslobung grundlegend hinterfragt. Hätten Sie mit mehr Beiträgen dieser Art gerechnet?
Nein, das würde ich nicht sagen. Ich möchte mich auch nicht zu den Architekturen anderer an der Planung Beteiligter äußern. Ich kann nur für uns sagen: Für uns war es wichtig, einen gedanklichen Beitrag zu leisten und uns damit an der Diskussion zu beteiligen.
Es stellt sich die Frage, wie linear ein Lösungsfindungsprozess in einer solchen komplizierten Lage sein sollte. Ist es sinnvoll, die Lösungsvorschläge der Architekten allein auf ihre größtmögliche Übereinstimmung mit der Aufgabenstellung zu überprüfen? Damit bleibt ein etwaiger Lösungsansatz aus einem anderen Erfahrungshorizont außen vor. Diesbezüglich ist auch eine interessante Frage: Wie eng werden Aufgabenstellungen formuliert? Die Auslobung hatte unter anderem sehr genaue Überlegungen zur Braunauer Altstadt und zum Einpassen in die Umgebung, bis hin zur Sprossengestaltung von Fenstern und zur Dachneigung, sowie sehr genaue Vorgaben zur Ökologie. Das sind für sich genommen richtige Handlungsanweisungen und Lösungsansätze, aber für diese Aufgabe sind sie sicher nicht zielführend. Wir können die Umgestaltung des Hitler Geburtshauses nicht daran bewerten, wie sehr sie sich in die Altstadt einpasst oder ob es den aktuellen ökologischen Kriterien am besten entspricht.
Es entsteht ein absurder Moment, nämlich dass all diesen Kriterien und Rahmenbedingungen in der Auslobung sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde und andere – vielleicht relevantere – Kriterien wiederum unerwähnt blieben.
Das ist auch eine Frage nach der Diskursfähigkeit unserer Gesellschaft. Wie können wir Probleme diskutieren, wenn wir sie nicht herausschälen können? Zumal wenn dann andere an und für sich wichtige Probleme diese überlagern. Gibt es eine Entscheidungshierarchie: erstens Ökologie, zweitens Übereinstimmung mit der Altstadtsatzung und drittens Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext oder anders herum. So einfach ist das nicht. Wenn ich an das erinnere, was Sie zuvor gesagt haben, dass es verschiedene Sachverständige gibt, die alle zu anderen Ansichten gelangen, dann kann man auch da fragen: Inwieweit sind wir auf gesellschaftlicher Ebene überhaupt in der Lage miteinander zu diskutieren? Wenn jemand sagt: Man kann einen Ort neutralisieren und dann ist er unauffindbar – ist das eine fundierte Fachmeinung oder eine unhaltbare Aussage? Über die Unmöglichkeit der Aufgabenstellung war nicht zu diskutieren.
Es gibt für dieses Bauvorhaben kein Vorbild, keinen abzuarbeitenden Punkteplan, keinen vordefinierten „historisch korrekten Umgang“. Andere historisch belastete Orte sind in der Regel einzuordnen in Opferorte oder Täterorte. Für diese Orte haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte etablierte Modelle oder Verfahren entwickelt, wie dort erinnert, getrauert, gemahnt werden kann. Das Geburtshaus von Hitler fällt irgendwie heraus. Es wird als Argument angeführt, dass gerade dieser mahnende Charakter dort nicht am richtigen Platz sei, weil es sich hier weder um einen Opfer- noch um einen Täterort handelt. Dies geht auch mit der Forderung einher, den Mahnstein, der noch aus einem anderen Verständnis von Gedenkkultur stammt, dort zu beseitigen. In Ihrem Wettbewerbstext schreiben Sie: „Die Erinnerung selbst muss diesen Ort besetzen.“ Inwieweit wird nicht der Ort selbst in seiner geschichtlichen Bedeutung dadurch noch erhöht, dass er seiner Nutzung entzogen wird und diesen mahnenden Charakter bekommt?
Ist diese Strategie, die unbequemen Jahre 1938 bis 1943 zu übergehen und aus der überlieferten baulichen Substanz einen idealisierten Ort zu formen, zeitgemäß oder sind dies noch die Nachwehen eines Gründungsmythos der Zweiten Republik? Zukünftige Generationen werden es beurteilen.
Das ist ein wichtiger Punkt: letztendlich trägt auch unsere Disziplin hier dazu bei, dass in Braunau eine fiktive Vergangenheit reproduziert wird – indem ein zeitlicher wie baulicher Rückgriff auf ein Gebäude stattfindet, das in seiner äußeren Gestalt die Biedermeierzeit zitiert. Dieses Bild, das hier jetzt entsteht, suggeriert, dass „das alles“ gar nicht stattgefunden hat.
Ja, es ist ein Versuch, etwas beiseite zu schieben: Es gab in der Geschichte schreckliche Dinge, aber hier gerade ganz konkret – dort, wo wir sind – da nicht.
Die Auslobung forderte dezidiert die Beseitigung von Erinnerung. Wie sind Sie damit umgegangen?
Die Auslobung sagt ganz deutlich, was sie möchte. Und unser Wettbewerbsbeitrag ist unsere Antwort dazu. Ich denke, es ist nicht möglich, die Verbindung von Braunau und Hitler aufzulösen. Wir sind mit unseren heutigen technischen Mitteln, unseren Schriftstücken, dem Internet nicht in der Lage, diese Verbindung zu kappen. Das ist ein Vorhaben, welches man zwar in seiner Absicht nachvollziehen kann, welches aber nicht umsetzbar ist. Und dann ist die Frage: Wenn es nicht umsetzbar ist, welches Bild entsteht durch den Versuch? Es ist eine Inszenierung im umgekehrten Sinn. In der Art, wie 1938 bis 1943 das Gebäude als Führer-Geburtshaus inszeniert wurde, obwohl der authentische Ort nicht mehr vorhanden war, hat man trotzdem geschafft, diesen Ort glaubhaft zu inszenieren. Sehr direkt und sicher naiv – mit Geburtszimmer und Geburtsbett (!) aber glaubhaft. Jetzt sind wir wieder dabei, zu inszenieren. Die zweite Frage ist: Kann diese neue Inszenierung glaubhaft sein? Die erste Frage aber ist: Ist es überhaupt legitim, im 21. Jahrhundert einen historischen Zeitpunkt aus einer viel komplexeren baulichen Entwicklung herauszuschälen und zu sagen: Hier ist nichts geschehen!
Das Gestalten von Erinnerungen hat immer auch eine politische Dimension. Mit Ihrem Wettbewerbsbeitrag treten Sie für ein mahnendes Erinnern ein, fordern es ein. Wie bringen Sie sich über den Wettbewerb hinaus in die Debatte um das Geburtshaus ein?
Es ist ja die Frage, was passiert eigentlich, wenn wir als Architekten antworten. Dann nehmen wir eine gewisse Rolle ein. Mitunter müssen wir uns an anderer Stelle zurücknehmen, weil wir nicht glaubhaft gleichzeitig verschiedene Rollen besetzen können. Wir haben in der Diskussion die Rolle als Architekten eingenommen und versucht, auf architektonischem Wege diese Aufgabe zu lösen. Es gab eine Jury, die unseren Beitrag mit dem Sonderpreis würdigte, aber ein anderes Projekt zur Realisierung empfahl. Wenn man in dieser Schiene bleibt, ist das unser Teil der Diskussion. Es gibt verschiedene Bürger, die ihre Meinung geäußert haben. Es gibt Presseartikel dazu. Es gibt eine Entwicklung in der Ansicht, was diesen Stein angeht. Da sind Kämpfe zwischen Gemeinde und Republik ausgefochten und Linien gezogen worden, die mit zu einer Verschiebung beitragen. Vielleicht entsteht eine Neubewertung daraus.
Eine Frage, die sich auch stellt: wie wird in weiterer Folge mit dem Ort umgegangen, wenn er erst als Polizeistation genutzt wird? Wird die Debatte hier weitergeführt wer
Es gibt mehrere Möglichkeiten: Entweder es gibt jetzt noch eine Debatte um die Realisierung dieses Gebäudes oder es gibt im Nachhinein eine Debatte darüber, wie es genutzt wird. Wenn man aber den Ort verändern möchte, dann hat man nur noch die Möglichkeit, jetzt diese Diskussion am Laufen zu halten. Aber da ist ein großes Engagement gefordert. Ob man dann noch in den Lauf eingreifen kann?
Es fällt schwer sich vorzustellen, dass ein Projekt mit einer ähnlichen Tragweite in Deutschland ähnlich abgelaufen wäre.
Letzten Endes geht es nicht um nationale Grenzen. Aber de facto ist es so, dass weder in Deutschland noch in Österreich eine große Diskussion angestoßen oder am Laufen gehalten wurde. Es gibt bestimmte Initiativen, die durchaus nachvollziehbar und zu begrüßen sind, die noch als Ideen herumgeistern. Aber es gibt keine gesellschaftliche Diskussion dazu. Und es gibt auch eine ganze Reihe von Artikeln, in denen man sich einen fundierteren, einen interessanteren Beitrag erhofft hätte, der eine solche Diskussion anstoßen kann. Interessant ist, wie klein dieser Resonanzraum ist, in dem man sich da eigentlich befindet. Also ist es gleichgültig oder gibt es diesen Architektenwettbewerb und es wird ein schönes, altstädtisches Haus? Das ist ja eine Frage nach der Diskursfähigkeit oder der Diskurslust unserer Gesellschaft.
Und eine Frage der Rahmenbedingungen: im konkreten Fall wurde der Diskurs – anders als durch die Historikerkommission empfohlen – ja schon im Vorfeld bewusst ausgeklammert und versucht, jede Öffentlichkeit für das Verfahren zu vermeiden.
Wir wissen nicht, ob das, was wir in Braunau gemacht haben, der Weisheit letzter Schluss ist. Es ist das Beste, was wir zu denken imstande waren. Deswegen haben wir diesen Beitrag dort abgegeben. Wenn jemand einen besseren Beitrag hat, dann möge er den bitte mitbringen. Und dann möge die Jury bitte darüber entscheiden und das hat sie gemacht in einer anderen Weise. Dann ist es ein Teil unserer Diskussion darüber. Wenn wir uns als Architekten, als Bürger, verstehen, dann ist es Teil unseres bürgerschaftlichen Engagements, wenn man Architektur als Kultur versteht. Peter Jungblut hat dazu geschrieben: „Die Wunde offenhalten“. Und es gibt eine Notwendigkeit dafür, eine Wunde offen zu halten, auch wenn es wehtut.
Für uns steht weiterhin die Frage im Raum, inwieweit denn die Architekt:innenschaft hierfür überhaupt die richtige Adressatin ist. Man könnte es auch so lesen: eine Disziplin wird dazu aufgefordert eine Lösung zu finden für ein, nennen wir es, Problem, das noch ungelöst ist und viele andere Disziplinen berührt – aber dann plötzlich an einer Stelle abgeladen wird, mit dem Anspruch so eine gültige Lösung zu erhalten und sich des Problems zu entledigen.
Wir erhielten in der Presse den Vorwurf, dass wir uns dort künstlerisch versuchen würden... Und natürlich ist es eine künstlerische Aufgabe, es hätte auch ein Künstler machen können. Es wäre gut gewesen, wenn man einen anderen, einen interdisziplinären Wettbewerb ausgelobt hätte.
Aber in diesem Fall waren Künstler:innen dezidiert nicht eingeladen oder aufgefordert, sich zu beteiligen.
Sie hätten vielleicht eine Koalition mit einem Architekten bilden können, also die Möglichkeit hätte es gegeben. Man hat davon gehört, dass es diesen Wettbewerb geben wird. Aber ich will auch keine Vorwürfe machen. Jedenfalls gibt es die Möglichkeit, in einer modernen Weise mit diesen Erinnerungsthematiken umzugehen. Das haben wir versucht. Rachel Whiteread hat dies am Judenplatz in Wien in hervorragender Weise gelöst und es gibt viele andere sehr positive Beispiele von Künstlern dazu.