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Gebaute Verdrängung?

Kritische Nachbesprechung zum Architekturwettbewerb für eine Polizeistation im Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn.

Der Architekturwettbewerb für eine Polizeistation im Geburtshaus von Adolf Hitler steht symptomatisch für den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs vonseiten der verantwortlichen politischen Institutionen: Statt sich im Rahmen des geplanten Umbaus einer kritischen Auseinandersetzung mit dem unbequemen gesellschaftlichen und baulichen Erbe zu stellen, wurde als Absicht des Wettbewerbs formuliert, die „Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus [zu] beseitigen [...]“.

Die Gesprächsreihe mit am Verfahren beteiligten Architekt:innen und Jurymitgliedern macht deutlich, dass ein standardisiertes Verfahrensmodell der Architektur im Umgang mit einem beispiellosen Ort keine gültigen Antworten liefern kann. Eine breite öffentliche Debatte bleibt notwendig, um die geplante bauliche Verdrängung abzuwenden.

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Es wurden Interviews mit am Verfahren beteiligten Personen geführt, befragt wurden teilnehmende Architekt:innen und Juroren.
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Adolf Hitler wird 1889 in Braunau am Inn in der Salzburger Vorstadt 15 geboren, wenige Monate nach seiner Geburt zieht die Familie in eine andere Wohnung und später nach Passau um. 1938 erwirbt die NSDAP das Gebäude und inszeniert es als „Geburtsstätte des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler“. Als solches wird es für diverse Propagandazwecke genutzt, baulich adaptiert und auch unter Denkmalschutz gestellt. Seither ist das Gebäude in seiner äußeren Form unverändert erhalten und auch die von den Nationalsozialisten geprägte Zuschreibung als „Geburtshaus“ besteht weiterhin.

2019 wird der Architekturwettbewerb für eine Polizeistation im Geburtshaus von Adolf Hitler, das sich seit der Enteignung im Besitz des Innenministeriums befindet, von diesem als EU-weiter, nicht offener, einstufiger Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren ausgeschrieben. Als Sieger des Wettbewerbs geht 2020 das österreichische Architekturbüro Marte.Marte hervor. Mit der Entscheidung für das standardisierte Verfahrensmodell eines Realisierungswettbewerbs werden wesentliche bauliche, programmatische und gestalterische Festlegungen durch den Auslober ohne jegliche Einbeziehung der Öffentlichkeit definiert.

Wichtigste Grundlage für den Wettbewerb bildet der Abschlussbericht der „Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“, die von Innenminister Sobotka 2016 einberufen wird. Empfohlen werden darin zwei Nutzungsarten: eine sozial-karitative oder eine behördlich-administrative Nutzung; eine Nutzung für museale oder edukative Zwecke wird explizit ausgeschlossen. Zudem fordert die Kommission, eine „tiefgreifende architektonische Umgestaltung vorzunehmen, die dem Gebäude den Wiedererkennungswert und damit die Symbolkraft entzieht“.

Als Ziel des Wettbewerbs wird die bauliche „Neutralisierung“ des Gebäudes formuliert. Mittels „harmonischer Einordnung in den Kontext des Stadtbildes“ soll das Geburtshaus – so die Idee der Auslober – soweit normalisiert werden, dass es nicht mehr auffindbar ist.

Durch das Innenministerium erfolgt 2019 die fragwürdige Festlegung der zukünftigen Nutzung des Gebäudes als Polizeistation. Diese wird als vermeintlich beste Möglichkeit erachtet, eine dauerhafte Unterbindung der „Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus“ an diesem Ort sicherzustellen, zu der sich die Republik Österreich mit dem Enteignungsgesetz verpflichtet hatte.

Mit dem Enteignungsgesetz wird der bestehende Denkmalschutz des Gebäudes aufgehoben, um eine größtmögliche bauliche Veränderung zu ermöglichen. Die Wettbewerbsauslobung fordert „für das Gebäude eine neue Identität“ zu schaffen und nimmt die Möglichkeit der Rückführung auf eine historische Fassung des Gebäudes mit zwei getrennten, giebelständigen Gebäuden bereits vorweg. Der Großteil der teilnehmenden Büros folgt dieser baulichen Strategie und schlägt die Rekonstruktion des Daches mit Doppelgiebel vor.

Der Wettbewerb mit dem verklausulierten Titel „Umgestaltung des Gebäudes Salzburger Vorstadt 15“ vermeidet sprachlich die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistisch belasteten Geschichte des Gebäudes – der Name Adolf Hitler scheint in der Ausschreibung nicht auf. Die Aufgabe der Umgestaltung wird als rein technisch-pragmatisch zu lösendes, bauliches Problem formuliert.

Die ausbleibende Benennung und damit fehlende sprachliche Orientierung führt in den Wettbewerbsbeiträgen zu unbedarften bis skandalösen Formulierungen, wie „Nach Regen kommt Sonnenschein!“ (Tp3 Architekten), oder die Bezeichnung des Geburtshauses als „Führergeburtshaus“ (Marte.Marte), bis hin zur Idee, die Zeit mittels architektonischer Strategien „bis 1750 zurück [zu drehen], lange bevor Adolf Hitler geboren wurde.“ (Marte.Marte)

Bei dem Haus, in dem Hitler geboren wurde, handelt es sich um einen beispiellosen Ort, der weder Opferort noch Täterort ist. Erst durch die Inszenierung der Nationalsozialisten als Geburtshaus und Zuschreibung als Erinnerungsstätte wird er zum belasteten Ort. Die Forderung des Auslobers mit der Umgestaltung die „Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus [zu] beseitigen“ steht einer angemessenen kritischen Auseinandersetzung konträr gegenüber und produziert das Geschichtsbild einer gebauten Verdrängung.

Die Auswahlwahlkriterien des Auslobers für das Teilnehmerfeld sind auf die Realisierungsfähigkeit und die Expertise des Bauens im Bestand beschränkt. Kann man komplexen, historischen Fragestellungen unter diesen Voraussetzungen mit technisch-pragmatischen, baulichen Lösungen alleine gerecht werden? Aus den Wettbewerbsbeiträgen ergibt sich ein sehr konträres Bild mit unterschiedlichsten Standpunkten hinsichtlich der historischen Verantwortung und dem Selbstverständnis der Architekturdisziplin.

Die Strategie des Innenministeriums, den nicht offenen, einstufigen Realisierungswettbewerb auch möglichst ohne öffentliche Aufmerksamkeit durchzuführen, zeigt sich in der Pressearbeit, die über den gesamten Projektzeitraum 2019 bis 2023 aus lediglich zwei offiziellen Presseaussendungen besteht. Verantwortliche Personen im Innenministerium waren in Bezug auf dieses Projekt nicht zu einem Gespräch bereit, stattdessen verwiesen sie auf die genannten Aussendungen, sowie parlamentarische Anfragebeantwortungen.

Archiv

Kuratiertes, chronologisches Archiv über die Geschichte des Hitlerhauses in Braunau als Auszug aus der offenen Plattform Braunau History.

1674/1693
Die zwei im 17. Jahrhundert errichteten Einzelgebäude in der Salzburger Vorstadt werden erstmals urkundlich erwähnt. Das nördliche Vorderhaus ist über einen Arkadengang mit einem Hintergebäude verbunden, das als Stadel, Stallung und Sudhaus genutzt, ab 1938 jedoch abgebrochen wurde. Beide Gebäude sind mit schmalem Grundriss, dreiachsiger Fassade und Satteldach als typische Braunauer Bürgerhäuser einzuordnen.
1746–1854
Das Gebäude in der Salzburger Vorstadt 15 in Braunau, 1933
Die beiden Einzelgebäude befinden sich ab 1746 in gemeinsamem Besitz. Mitte des 18. Jahrhunderts findet die bauliche Verbindung der beiden Gebäude statt. Die Fassaden werden einheitlich im Sinne des Biedermeier gestaltet, der Doppelgiebel wird abgetragen, die zwei ehemaligen Satteldächer werden zu einer Dachform zusammengeführt.
1889
Am 20. April wird Adolf Hitler in der Salzburger Vorstadt 15 geboren. Er verbringt allerdings nur wenige Monate in dem Gebäude. Laut Angaben auf Meldebögen des Stadtarchivs Braunau ist die Familie Hitler ab 1. September 1890 bereits im Haus Nr. 124 (heute Linzerstraße 47) gemeldet. Um 1892 findet ein weiterer Umzug der Familie nach Passau statt.
1912
Gasthaus des Josef Pommer mit vereinheitlichter Fassade vor dem Umbau der Erdgeschosszone durch die Nationalsozialisten, vor 1938
Josef Pommer erwirbt das im Gebäude befindliche „Gasthaus zum braunen Hirschen“ von den Geschwistern Dafner, die das Gasthaus seit 1888 betrieben.

Inszenierung als Geburtshaus Adolf Hitlers unter den Nationalsozialisten

1933
Adolf Hitler wird zum deutschen Reichskanzler ernannt. Die NSDAP wird in Österreich verboten.
1933
Verwarnung für Josef Pommer durch die örtliche Polizei, weil sein Gasthaus „[…] fast ausschließlich von Anhängern der nat. soz. Idee frequentiert wird und bei weiteren Wahrnehmungen, daß Josef Pommer die Zusammenkunft von Nationalsozialisten bezw. deren Betätigung begünstigt […].“
1936
Inszenierung der rekonstruierten Wohnräume der Familie Hitler durch Josef Pommer, ab 1936
Der Eigentümer und Gastwirt Josef Pommer inszeniert ein „Führerkinderzimmer“ im Obergeschoss, ein Privatmuseum, das „nur ausländischen Tourist:innen, nicht aber Österreicher:innen“ gezeigt werden darf. Es gibt den ersten organisierten Tourismus zum Geburtshaus.
1938
Am 25. Mai 1938 erwirbt Martin Bormann, Reichsleiter der NSDAP, im Auftrag der Partei das Gebäude von Josef und Maria Pommer nach längeren Verhandlungen zum vierfachen Marktwert (150.000 Reichsmark). Betreut wird das Haus infolge der Kreisleitung der NSDAP Braunau. Die Übernachtungszahlen von Tourist:innen steigen um fast 250 Prozent an.
1938
Das Haus wird als „Geburtsstätte des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler“ unter Denkmalschutz gestellt.
1938
Die NSDAP plant eine Rekonstruktion der vermeintlichen Wohnräume: „[…] die Räume [sollen] mit Bildern aus der Jugendzeit des Führers und Erinnerungsstücken an das große Leben des Führers ausgestattet werden, so daß hier eine Erinnerungsstätte entstehen wird, die mit einmaliger Eindringlichkeit von dem Leben des Führers Zeugniß geben wird, das an dieser Stätte voll Schlichtheit und Einfachheit seinen Ausgang nahm.“ (Neue Warte am Inn, 1. Juni 1938)
1940
Menschenmassen versammeln sich zu einer Parade vor dem Haus, 22.04.1940
Vor dem Hitler-Geburtshaus findet am 22.4.1940 eine Parade zur Weihung von 21 Fahnen des nationalsozialistischen Kraftfahrkorps „Motorgruppe Ostmark“ statt.
1943
Das Gebäude nach der Umgestaltung des Sockelbereichs, nach 1943
Zum 54. Geburtstag von Adolf Hitler wird das von der NSDAP als „Führer-Geburtshauses“ bezeichnete Gebäude feierlich eröffnet. Die Umbauarbeiten betrafen den Sockelbereich und Teile der Fassade sowie die Innenräume. Auch das Hinterhaus wurde in diesem Zuge abgebrochen. Im Erdgeschoss des Vorderhauses wird fortan die öffentliche „Volksbücherei Braunau“ betrieben. In den beiden Obergeschossen finden Propaganda-Ausstellungen statt.

Öffentliche und karitative Nutzung des Gebäudes in der Nachkriegszeit

1945
Amerikanische Alliierte verewigen sich an den Wänden des Gebäudes, Mai 1945
Am 2. Mai 1945 wird Braunau durch amerikanische Truppen „befreit“, die in weiterer Folge eine geplante Sprengung des Gebäudes durch Nationalsozialisten verhindern können.
1945
Das Gebäude wird von den Alliierten weiterhin als Bücherei und für Ausstellungen genutzt. Am 1. November 1945 eröffnet eine Ausstellung über die Verbrechen in den Konzentrationslagern.
1948
Durch die „Vermögensentziehungsanmeldung“ und die Klage von Maria Pommer (Eigentümerin bis 1938) gegen Martin Bormann beginnt ein Rückstellungsverfahren, das mehrere Jahre dauern sollte. Nachdem Bormanns Vermögen für als zu Gunsten der Republik Österreich verfallen erklärt wurde, wurde die Republik zur Antragsgegnerin.
1948
Die Gemeinde Braunau lehnt den Antrag zur Rückstellung von Maria Pommer zunächst mit der Begründung ab, dass „der Preis der den Eheleuten Pommer im Jahre 1938 für die Liegenschaft bezahlt wurde, damals ein ausnahmsweis hoher gewesen ist, da solche gleichartige Anwesen damals vielleicht 60.000.– bis 70.000.– S und nicht 225.000.– S gekostet haben.“
1954
Der Rückstellungsvergleich wird zugunsten von Kreszentia Pommer (Erbin der 1948 verstorbenen Maria Pommer) entschieden. Der „Tatbestand der widerrechtlichen Vermögensentziehung durch Erpressung [gilt als] einwandfrei erwiesen“ (Neue Warte am Inn 5/54, S. 7).
1965
Das Gebäude wird bis 1965 als Stadtbücherei genutzt.
1970–1976
Im Zuge der Gründung der HTL Braunau wird das Gebäude als Schule genutzt.
1972
Das Bundesministerium für Inneres mietet die Liegenschaft Salzburger Vorstadt 15 an, um eine zuwiderlaufende Nutzung durch Privatpersonen auszuschließen. Untermieterin ist die Stadtgemeinde Braunau.
1976–2011
Nutzung des Gebäudes durch die Lebenshilfe OÖ zwischen 1976 und 2011
Das Gebäude wird fast drei Jahrzehnte von der Lebenshilfe Oberösterreich als Tagesheimstätte und Werkstätte genutzt.

Versuche der Kontextualisierung und Aufstellung des Mahnsteins vor dem Gebäude

1983
Der Braunauer Gemeinderat plant eine Tafel mit der Aufschrift „Nie wieder Faschismus“ an der Fassade des Hauses anzubringen. Als die Arbeiter am 6. Oktober 1983 beginnen, die Ausnehmung in die Mauer zu meißeln, wird eine Besitzstörungsklage der Eigentümerin zugestellt. Die Anbringung muss abgebrochen werden.
1984
Protest der Zivilbevölkerung für die Anbringung der Tafel
Gerlinde Pommer verklagt die Republik Österreich aufgrund der geplanten Anbringung einer Marmortafel an der Fassade des Hauses Salzburger Vorstadt 15, die auf die Schrecken des Nationalsozialismus hinweisen soll. Pommer gewinnt den Rechtsstreit, die Tafel darf nicht angebracht werden.
1989
Mahnstein auf dem Gemeindegrund vor dem Gebäude
Nachdem das Anbringen einer Tafel auf dem Haus gerichtlich untersagt wird, findet die Errichtung des Mahnsteins vor dem Gebäude in der Salzburger Vorstadt auf Gemeindegrund statt.
1993
Der Straßenzug „Salzburger Vorstadt“ wird unter Ensembleschutz gestellt.
2011
Die Lebenshilfe Oberösterreich, die das Haus seit 1974 nutzt, beendet das Untermietverhältnis, da dringend notwendige Umbauten zur barrierefreien Ausstattung des Hauses von der Eigentümerin abgelehnt werden. Der Mietvertrag mit dem BMI als Hauptmieter bleibt aufrecht. Seit September 2011 steht das Haus daher leer, die Mietzahlungen von knapp 4.700,- EUR monatlich werden fortgesetzt.
2011
Die Stadtgemeinde Braunau bringt ein Konzept für eine sozial-edukative Nutzung durch die Volkshilfe OÖ und die Volkshochschule OÖ ein. Die Eigentümerin lehnt das Nutzungskonzept ab.

Enteignungsverfahren und politische Weichenstellung für einen Umbau unter dem ÖVP-geführten Innenministerium

2014
Ein Kaufangebot der Republik Österreich wird seitens der Eigentümerin abgelehnt. Der Mietvertrag wird seitens der Eigentümerin gekündigt, aufgrund eines Formfehlers bleibt dieser jedoch bestehen.
2015/2016
Es folgen zwei weitere Kaufangebote durch die Republik Österreich, die ebenfalls abgelehnt werden.
2015
Das Innenministerium unter Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) richtet eine erste Kommission ein, wie mit dem Wunsch einer Beendigung des Mietvertrages vonseiten der Eigentümerin umzugehen ist. Der im November 2015 vorgelegte – jedoch nicht veröffentlichte – Abschlussbericht fordert eine dauerhafte und endgültige Unterbindung „nationalsozialistischer Wiederbetätigung und bejahende Gedenkpflege an den Nationalsozialismus […] unter Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel“. Die Kommission schlägt als Ultima Ratio eine Enteignung vor. („Denkmalschützer wollen Hitler-Haus erhalten“, Olga Kronsteiner, Der Standard, 20. September 2016)
2016
Eine Debatte um die künftige Nutzung des Gebäudes wird durch die Forderung des Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) angestoßen, da laut ihm keine Denkmalwürdigkeit gegeben sei: „Das Hitler-Haus wird abgerissen. Die Kellerplatte kann bleiben, aber es wird ein neues Gebäude errichtet. Das Haus wird dann entweder einer karitativen oder einer behördlichen Nutzung durch die Gemeinde zugeführt.“ („Hitlers Geburtshaus wird abgerissen“, Die Presse, 17.10.2016)
2016
Das Innenministerium legt das Gesetz zur Enteignung zur Begutachtung vor. Die Aufhebung des Denkmalschutzes des Gebäudes wird in diesem Gesetzesentwurf bereits bedacht. (Verpflichtung der Republik Österreich, § 2. (1))
2016
Der Abschlussbericht der 2016 von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) einberufenen „Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“ empfiehlt dezidiert zwei Nutzungsarten: Eine sozial-karitative Nutzung, welche die Symbolkraft des Ortes brechen würde und eine behördlich-administrative Nutzung, die den Enteignungszweck erfüllen würde.
2016
Im Dezember wird das Enteignungsgesetz beschlossen.
2017
Die Eigentümerin Frau Pommer klagt gegen die Enteignung.
2017
Der Verfassungsgerichtshof urteilt zugunsten der Gesetzmäßigkeit der Enteignung.
2019
Laut parlamentarischer Anfragebeantwortung durch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ist die Entscheidung zur Nutzung noch nicht getroffen.
2019
Laut Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis stehen der enteigneten Eigentümerin nicht € 310.000 als Enteignungsentschädigung, sondern „insbesondere unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass es sich beim Hauptgebäude um das Geburtshaus Adolf Hitlers handelt“ € 1.508.000 zu. Die Finanzprokuratur legt gegen dieses Urteil Berufung ein.
2019
Der Oberste Gerichtshof entscheidet in zweiter Instanz über die Höhe von € 812.000 der zu leistenden Entschädigung der Republik an Frau Pommer.
2019
Das Innenministerium unter Wolfgang Peschorn beschließt, dass künftig das Bezirkspolizeikommando und die Polizeiinspektion Braunau im Gebäude Salzburger Vorstadt 15 untergebracht werden sollen (Parlamentarische Anfragebeantwortung Seite 4, Frage 8).
2019
Ankündigung des Starts des Architektenwettbewerbs durch das BMI.

Wettbewerbsverfahren

2019
Ausschreibung eines EU-weiten, nicht offenen, einstufigen Realisierungswettbewerbs mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren durch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Adolf Hitler wird in dieser Ausschreibung namentlich nicht erwähnt. Als Intention des Wettbewerbs wird festgelegt: „Durch die äußerliche Umgestaltung des Bestandsgebäudes soll die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus beseitigt [...] werden.“ (Zitat aus der Ausschreibung des Architekturwettbewerbs „Umgestaltung des Gebäudes Salzburger Vorstadt 15“, BIG)
2020
Die Initiative Denkmalschutz kritisiert die de facto Aufhebung des Denkmalschutzes, die angestrebte „Neutralisierung“ anstatt einer Kontextualisierung des Gebäudes sowie die Unter-Verschluss-Haltung des ersten Kommissionsberichts.
2020
Das Mauthausen Komitee Österreich und das OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus äußern Kritik an den vorgestellten Plänen zur Neugestaltung des Hitler-Geburtshauses, die der Devise „Verdrängung statt Auseinandersetzung“ folgen würden.
2020
Die Frist zur Abgabe der Wettbewerbsarbeiten war mit 04.05.2020 festgesetzt. Von 15 zum Verfahren zugelassenen Architekturbüros reichen zwölf Teilnehmer:innen Beiträge ein. Die Auslobung hatte eine Teilnehmerzahl von mindestens 10 bis maximal 20 vorgesehen.
2020
Die Jury entscheidet zugunsten des Wettbewerbbeitrags von Marte.Marte: „Der Doppelgiebel der geputzten Lochfassade kommt der Intention der Purifizierung und der Einordnung in den Kontext des Stadtbildes mit der geforderten Neutralisierung besonders nahe... Im Sinne einer schnörkellosen Rückführung werden die Bormannschen Überformungen entfernt.“ (Auszug aus dem Juryprotokoll) Die Ausführungsplanung sollte direkt im Anschluss an das Vergabeverfahren 2019 begonnen werden.
2020
Mahnstein auf dem Gemeindegrund vor dem Gebäude
Ein Arbeitskreis der Stadtgemeinde Braunau entscheidet, den Mahnstein unverändert vor dem Gebäude zu belassen und spricht sich damit gegen die Versetzung innerhalb Braunaus – wie von einer Expert:innengruppe des Innenministerium empfohlen – sowie gegen die Übersiedelung in das Haus der Geschichte in Wien aus.

Ausführung, verzögerter Baubeginn und Baukostensteigerung

2021/2022
Ursprünglich war die Ausführung für 2021/2022 geplant. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung werden die Baukosten mit etwa 5 Millionen Euro angegeben. Die Fertigstellung des Umbaus inklusive Tiefgarage ist laut BMI für Ende 2022 geplant.
2022
Steigerung der Baukosten auf 11 Millionen Euro.
2022
Der Start der Umbauarbeiten wird auf das 3. Quartal 2023 verschoben (Stand April 2022).
2023
Weitere Steigerung der Baukosten auf nunmehr 20 Millionen Euro. Ursprünglich waren fünf Millionen Euro vorgesehen, im April 2022 ging man bereits von elf Millionen Euro Kosten aus, jetzt soll der Umbau rund 20 Millionen Euro kosten.
2023
Aktuell ist eine Fertigstellung des Umbaus im 4. Quartal 2025 geplant. Der Einzug der Bezirkspolizei ist für das 1. Quartal 2026 vorgesehen (Stand Januar 2023).
2023
Der Verein DA beauftragt eine Alternative Kommission, den Diskurs um den Umgang mit dem Gebäude erneut zu öffnen und mögliche Zukünfte zu formulieren. Die Alternative Kommission tagt öffentlich im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung im MAK – Museum für angewandte Kunst Wien am 15.3.2023.
2023
Der Verein DA beauftragt eine Alternative Kommission, den Diskurs um den Umgang mit dem Gebäude erneut zu öffnen und mögliche Zukünfte zu formulieren. Die Alternative Kommission tagt öffentlich im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung im MAK – Museum für angewandte Kunst Wien am 15.3.2023.
2023

How to Hitlerhaus? Kritische Nachbesprechung zum Architekturwettbewerb für eine Polizeistation im Geburtshaus von Adolf Hitler, Präsentation der Publikation und Diskussion mit der Alternativen Kommission, MAK – Museum für angewandte Kunst Wien, 15.3.2023. → zum Videomitschnitt der Veranstaltung